Dynamik

Ein Nachhall der beim Durcharbeiten geschilderten Erinnerung an die unbegreiflichen, destruktiven Ereignisse des Kriegsgeschehens lebt im Herangehen an die Skulpturengruppe Ur-Ahn-Jagd noch fort:

Der harte, bittere, manchmal grausame Akt des Tötens des Beutetieres ist dargestellt.

Der Jäger, unser europäischer Ahn, der Cro-Magnon
Foto: Jo Essig / Wiesbaden

Wie schon gesagt, hatte die Arbeit an "Ragnarök" sehr frühe, vorsprachliche Erinnerungen wachgerufen, die aber erst bei der Gestaltung der Ur-Ahn-Jagd ihre Wirkung taten, was mir zunächst verborgen blieb. Auch die Worte des Försters bei der Übergabe der Rohlinge – es wäre schön wenn der alte Riese wieder erweckt werden könnte – taten ihre Wirkung. Es entstand der Wunsch, der alten Eiche ihre Würde und zeitlos - magische Kraft zurückzugeben.

Wie ganz selbstverständlich gesellte sich nun in meiner Fantasie der alte Jäger der europäischen Uhrzeit, der Cro-Magnon, hinzu. Im gewaltigen Wurzelsegment lag ja bereits verborgen der Ur und wollte nur noch befreit werden. Dass es eine Jagdszene werden sollte, war zum Greifen nahe.

Zwei Besuche in der Lascaux-2-Höhle hatten mich tief beeindruckt. Mir wurde klar, dass der Schamanen-Künstler des Cro-Magnon der Jäger sein musste. Es wurde nun eine innere Dynamik in Gang gesetzt, die ich nur ahnend erfassen kann:


Es intensivierten sich die Wechselwirkungen der bildhauerischen Arbeit, einschließlich des Stimulus der okkult „mitlaufenden“ Selbstexploration mit den dazugehörigen archetypischen inneren Bildern - in Resonanz mit den äußeren Bildern, wie ich sie in Lascaux erlebte.

Doch letztlich sind es eigene Urbilder, die realisiert werden wollen – oder müssen. Es ist das kreative Geschehen an sich. Das ist es, was antreibt – es will verwirklicht werden. Nochmals nenne ich es den

Inneren Daimon
.

So entstand in Ur-Ahn-Jagd ein Urbild, das keine Rücksicht darauf nehmen konnte, oder wollte, dass wir eigentlich im Zeitalter der elektronischen Kommunikation leben (wo, wie es scheint, alles von außen kommt). Diese Figur - der Beute machende Jäger – kommt von innen. Er ist eine Gestalt des Archetyps des ambivalenten, des gut-bösen Menschen. Er ist sich seines Frevels bewusst und er bittet die großen Geister der Wildtiere um Vergebung. Er unterwirft sich den guten Geistern allen Lebens, hin zu den Großen Müttern.

Doch während mir die Arbeit an "Ragnarök" wie eine Wiederholung der traumatischen Kindheitserinnerungen vorkommt, so erscheint mir Arbeit an der Jagdszene im Rückblick wie deren Überwindung.

Indianer-Büffel-Jagd
"Indianer-Büffel-Jagd"

Auch in der 1997 entstandenen "Indianer-Büffel-Jagd" (roter Sandstein, spanischer Travertin) ist dieser Gedanke bereits im Keime enthalten. Die Idee ist, daß der erfolgreiche Jäger-Krieger bereits den "Großen Geist" um Vergebung bittet.

In "Der Krieg und seine psychosozialen Funktionen" von Stavros Mentzos wird ein anderer Aspekt dieses persönlichen Jagderlebens aus dem Blickwinkel des Psychoanalytikers betrachtet, siehe Referenzen.

 


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